Epigenetik: Wie Erfahrungen vererbt werden (B00BI72VV0) by Bernhard Kegel

Epigenetik: Wie Erfahrungen vererbt werden (B00BI72VV0) by Bernhard Kegel

Autor:Bernhard Kegel [Kegel, Bernhard]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783832187330
Herausgeber: DUMONT Buchverlag
veröffentlicht: 2013-02-21T05:00:00+00:00


11. Vererbt oder nicht – der australisch-amerikanische Mäusestreit

Die Forschungsergebnisse von Emma Whitelaw und ihrem internationalen Team trugen dazu bei, dass die Fachwelt epigenetischen Fragestellungen fortan größeres Interesse entgegenbrachte. In der Öffentlichkeit fanden sie keinerlei Resonanz. »Was haben wir, was hat der Mensch mit dem genetischen Tohuwabohu von Inzuchtmäusen zu tun?«, mögen viele Wissenschaftsredakteure gedacht haben und wandten sich anderen Themen zu. Sie sind die Filter, die darüber entscheiden, welche Forschungsergebnisse an die Öffentlichkeit gelangen und welche nicht, und noch zeigten ihre Daumen nach unten.

Auch die Fortsetzung der Geschichte um die viable-yellow-agouti-Mäuse, die im amerikanischen Bundesstaat Arkansas geschrieben wurde, stieß außerhalb der Fachwelt auf wenig Interesse. Zusammen mit Kollegen von der Universität der Hauptstadt Little Rock forschten die Wissenschaftler des National Center for Toxicological Research seit Jahren an verschiedenen Mutanten des Agouti-Gens. Hier, im US-amerikanischen Süden, wurden viele der Grundlagen erarbeitet, auf denen Emma Whitelaws Team aufbaute.

Die australischen Forscher interessierten sich vor allem für die (epi-)genetischen Mechanismen, die den seltsamen Vererbungsmustern der Mäuse zugrunde lagen, die Arbeit der Amerikaner hatte jedoch eher einen medizinischen Hintergrund. Zur Erinnerung: Gelbe Avy-Mäuse zeigen ein komplexes Krankheitsbild, sie sind stark übergewichtig, und ihr durch die Aktivität des Transposons veränderter Stoffwechsel führt zu Diabetes und einer Zunahme von Krebserkrankungen. Im Alter von zwei Jahren ist ihre Sterblichkeit doppelt so hoch wie die der schlanken graubraunen Geschwistermäuse, von denen sie sich nur durch ein paar fehlende Methylgruppen unterscheiden. Die seltsamen Fellfarben dieser Tiere waren für die US-Forscher ein bequemer Nebeneffekt, denn sie ermöglichten es, schon sieben Tage nach der Geburt festzustellen, welche Tiere Wochen oder Monate später mit hoher Wahrscheinlichkeit erkranken würden.

Dass sich die individuelle Lebenserwartung innerhalb einer Gruppe von Säugetieren erheblich unterscheidet, ist eine traurige Tatsache, die von vielen Faktoren beeinflusst wird, unter anderem von Ernährung, Lebensstil und Genetik – bei Untersuchungen an Menschen sind sie kaum voneinander zu trennen. Bei Labormäusen kann man viele dieser Faktoren kontrollieren. Durch jahrelange Inzucht sind sie genetisch nahezu identisch, erfahren dieselbe Umwelt und erhalten dasselbe Futter. Trotzdem leben einige von ihnen wesentlich länger als andere. Wie ist das möglich? Im Falle der Avy-Mäuse sind epigenetische Unterschiede schuld. Bei gesunden Tieren wird das Retrotransposon durch anhaftende Methylgruppen in Schach gehalten, gelbe Mäuse haben diesen Schutz weitgehend verloren. Kann man an diesem Zustand etwas ändern? Epigenetische Programmierungen sind bekanntermaßen reversibel.

Bereits 1998, ein Jahr bevor die Arbeit des Whitelaw-Teams erschien, hatten George Wolff und Craig Cooney neue Forschungsergebnisse veröffentlicht, die den Einfluss der Ernährung auf die Ausprägung des Agouti-Gens zum Inhalt hatten.[1] Vier Jahre später folgte eine zweite ergänzende Studie.[2] Labormäuse erhalten normalerweise ein standardisiertes Futter, das ihnen alle erforderlichen Nährstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stellt. Die Forscher aus Arkansas hatten der Nagerkost aber noch einige Bestandteile hinzugefügt: Auf knapp 1.000 Gramm Futter kamen je 5 Gramm Cholin und Betain, 5 Milligramm Folsäure (Vitamin B9) sowie 0,5 Milligramm Vitamin B12. In einem zweiten Ansatz wurden diese Mengen noch einmal verdreifacht und durch 7,5 Gramm Methionin und 150 Milligramm Zink ergänzt. Diese Stoffe sind im selben Mischungsverhältnis auch im Standardfutter erhalten.



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